Der Wecker klingelt und der erste Griff ist der zum Handy. Und ehe man sich versieht und der Tag überhaupt beginnt, wird durch Instagram und Tik Tok gescrollt oder die Augen ruhen auf Snapchat-Storys. Doch welche Auswirkungen hat das stetige Informieren und Vergleichen mit anderen?

Was versteht man unter Selbstwert?

Wie wir uns selbst bewerten, was für ein Bild wir von uns haben und unsere Einstellung gegenüber der eigenen Person – das alles beschreibt den Selbstwert oder die Selbstwertschätzung. Im Volksmund wird häufig von Selbstvertrauen, Selbstachtung, Selbstbewusstsein oder Selbstsicherheit gesprochen, wenn es sich um den Selbstwert handelt. Vielen wird auch der Begriff Selbstwertgefühl geläufig sein und obwohl es kein Gefühl im klassischen Sinne ist, kann sich nahezu jeder etwas darunter vorstellen. Ein hoher Selbstwert bringt häufig Wohlbefinden und psychische Gesundheit mit sich.¹

Wissenschaftlicher Hintergrund

Der Sozialpsychologe Leon Festinger stellte bereits in den 50er Jahren die Theorie des sozialen Vergleiches auf. Diese Theorie besagt, dass Menschen durch den Vergleich mit anderen Informationen über das eigene Selbst gewinnen können. Es wird unterschieden zwischen den horizontalen, aufwärts- und den abwärtsgerichteten Vergleichen. Wenn sich an Menschen orientiert wird, denen es schlechter, oder mindestens genau so geht wie einem selbst, spricht man von einem abwärts gerichtetem Vergleich. Dies dient meist zu einer Steigerung des subjektiven Wohlbefindens. Vergleicht sich eine Person mit jemandem, der in einer Sache besser gestellt ist, oder über mehr Leistung verfügt, handelt es sich um einen aufwärtsgerichteten Vergleich. Der horizontale Vergleich beschreibt das Messen mit Gleichgestellten.² Obwohl diese Theorie schon recht alt ist, ist sie so aktuell wie nie.

Die Art der Nutzung der Apps scheint sich unterschiedlich auf das Selbstwertgefühl auszuwirken. Eine selbst orientierte Verwendung der Apps kann zum Beispiel keine negativen Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl in Bezug auf das Aussehen haben. Eine verstärkte Nutzung von sozialen Medien, die sich an anderen orientiert, kann hingegen zur Verringerung des zukünftigen Selbstwertgefühls in Bezug auf das Aussehen führen.³ Es macht also einen Unterschied, wer in der Timeline erscheint und auf welche Bedürfnisse die Apps individuell ausgerichtet werden. Neid und der soziale Vergleich werden vor allem durch die passive Nutzung von Social Media ausgelöst, was sich wiederum negativ auf das subjektive Wohlbefinden auswirkt. Die aktive Nutzung hingegen kann beispielsweise durch das Gefühl der sozialen Verbundenheit zu einer Steigerung des subjektiven Wohlbefindens führen.⁴ Bei Menschen, die bei der Verwendung von Social Media einen höheren Zweck verfolgen (Aufklärung, Umweltschutz etc.), war der Zusammenhang von „Likes“ und dem Selbstwertgefühl schwächer ausgeprägt. Ob Selfie oder altes Familienfoto, die Art des Contents ist ebenso entscheidend. Die jüngsten Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass die Aspekte eines Selfies stärker mit dem Körpervertrauen und Wohlbefinden in Verbindung stehen und sich nach dem Feedback von anderen sehnen. Na klar, wenn ich einen Push für mein Ego möchte, lade ich natürlich das bestmögliche Selfie von mir hoch.

Fazit und Lösungsansätze

Im Grundsatz ist der Verwendungszweck von den sozialen Medien entscheidend. Wird ein höheres Anliegen verfolgt, oder der Content aktiv mitgestaltet, hat es andere Auswirkungen auf den Selbstwert als die passive Nutzung. Doch was tun, wenn man nicht aktiver werden möchte, aber auch nicht auf die Apps verzichten kann?

Eine Möglichkeit ist es nur Leuten zu folgen, die ein gutes Gefühl in einem selbst auslösen, oder zur Motivation beitragen. Auch eine optimierte Nutzungsdauer kann hilfreich sein. Der Griff zum Handy sollte bestmöglich auch nicht die Lösung für einen eher schlechten Tag sein. Sich bewusst machen, dass der meiste Content immer nur eine positive Momentaufnahme aus dem Tag der jeweiligen Person ist und demnach nur ein winziger Teilaspekt ihres Lebens kann entlastend wirken. Grundsätzlich ist es eine individuelle Entscheidung, wie Social Media in das Leben eingebunden wird und für den Anfang hilft es vielleicht schon, sein „Selbstwertgefühl“ bei der Verwendung der Apps zu beobachten.

¹ Wirtz (Hrsg.). Dorsch Lexikon der Psychologie. Zugriff am 01.09.2022 unter https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/selbstwert

² Festinger, L. (1954). A Theory of Social Comparison Processes. Human Relations: The first 10 years, 1947–1956, 7(2), 117-140. doi: 10.1177/001872675400700202

³ Steinsbekk S. et. al. (2021). The impact of Social Media use on appearance self-esteem from childhood to adolescence – A 3-wave community study. Computers in Human Behavior, 114, 106528. Retrieved from https://doi.org/10.1016/j.chb.2020.106528

⁴ Verduyn, P., Ybarra, O., Résibois, M., Jonides, J. & Kross E. (2017). Do Social Network Sites Enhance or Undermine Subjective Well-Being? A Critical Review. Social Issues and Policy Review, 11(1), 274-302. Retrieved from https://doi.org/10.1111/sipr.12033

 Burrow, A.L. & Rainone N. (2017). How many likes did I get?: Purpose moderates links between positive Social Media feedback and self-esteem. Journal of Experimental Social Psychology, 69, 232-236. Retrieved from https://doi.org/10.1016/j.jesp.2016.09.005

McLean, S.A., Jarman, H.K. & Rodgers R.F. (2019). How do “selfies” impact adolescents’ well-being and body confidence? A narrative review. Psychology Research and Behavior Management, 12, 513—521. Retrieved from https://doi.org/10.2147/PRBM.S177834