Schnell noch die Einkaufsliste fertig schreiben, eine Ladung Wäsche in der Waschmaschine verstauen, die Unterlagen für den nächsten Videocall zusammensuchen, während das Handy klingelnd den Eingang der nächsten Nachricht, die beantwortet werden will, ankündigt. Aber irgendwie bewältigt man den Alltag mit der Aussicht, sich abends auf der Couch eine Serie oder einen Film anzuschauen. Wenn du jetzt eine gewisse Überforderung fühlst bei dem Gedanken an die unzähligen Streaminganbietern und deren Sammlungen, kann ich dich beruhigen – ich fühle es auch. Eine große Auswahl und viele Möglichkeiten können auch belastend sein. Alles wird gefühlt immer mehr und der technische Fortschritt automatisiert nicht nur deine Rollläden und Heizungen, sondern wenn du willst, auch noch deinen Kühlschrank. Alles wird komplizierter, aber zum Glück können dir die Unternehmen für alles eine Lösung oder ein Produkt anbieten, um dir den Alltag zu erleichtern. Zumindest scheinbar.
Was ist Mental Load?
Die organisatorische und geistige Last, die man für die Bewältigung seines alltäglichen Lebens tragen muss, nennt man Mental Load.¹ Dazu kann zum Haushalt und der eigentlichen Lohnarbeit noch die unbezahlte Care-Arbeit gehören, die man verrichtet, wenn man Angehörige oder Kinder betreut und unterstützt. Die Belastung durch den Mental Load bleibt von anderen Personen meist ungesehen. Der Begriff Mental Load kann als psychische Überlastung übersetzt werden.² Ursprünglich stammt der Begriff aus der Cognitive Load theory nach Sweller, Ayres und Kalyuga (2003). Die Theorie beschreibt den Geist eines Menschen, wie eine Art Informationsverarbeitungssystem. Bei Aufgaben, die automatisiert Ablaufen, wie beispielsweise Auto fahren, wird auf das Langzeitgedächtnis zurückgegriffen und bedeuten somit weniger kognitiven Aufwand. Aufgaben, die neu sind, bedeuten dementsprechend mehr Aufwand und beanspruchen das Arbeitsgedächtnis (Kurzzeitgedächtnis). Das Arbeitsgedächtnis verfügt, laut den Vertretern der Theorie, nur über eine begrenzte Kapazität. Das bedeutet, der Aufwand wird bewusster wahrgenommen und geht einher mit einer Belastung. Die Aufgaben eines Alltags sind häufig neu oder unterscheiden sich wenigstens in Kleinigkeiten. Oft kann das Hirn dann nicht auf Altbewährtes zurückgreifen und verbraucht Ressourcen des Arbeitsgedächtnisses. Jede neue Situation kostet mehr Kraft und vebraucht etwas von den beschränkten Kapazitäten. Je mehr Alltagssituationen oder Aufgaben, desto weniger kann das Gehirn im Autopilot verweilen und das bedeutet, der Mensch kann weniger herunterfahren und zur Ruhe kommen. Das Ganze wird zusätzlich durch die eigenen Emotionen bedingt. Wenn eine Person beispielsweise ängstlich ist, sinkt die Leistung des Arbeitsgedächtnisses und Belastung im kognitiven (cognitiv load) steigt. Wird die kognitive Belastung größer als die Kapazitäten des Arbeitsgedächtnisses, entsteht ein overload und man spricht von einer Überbelastung.³
Lösungsmöglichkeiten?
Was gibt es für Lösungsmöglichkeiten, um dem Mental Load entgegenzuwirken? Menschen sind verschieden und ebenso sind es die Lösungsansätze. Für Familie, Paare und Wohngemeinschaften kann es hilfreich sein aufzuschreiben, wer für wie viel Prozent der Aufgaben verantwortlich ist. Das kann als Grundlage für ein Gespräch dienen, in dem man die Aufteilung gegebenenfalls überarbeitet. Die Aufteilung muss nicht zwangsläufig fünfzig zu fünfzig sein, wichtig ist, dass sie für die Beteiligten stimmig und zufriedenstellend ist. Auch für alleinlebende Personen kann es hilfreich sein, alle Tätigkeiten, so klein sie auch sein mögen, aufzuschreiben und zu hinterfragen, wieso man sie erledigt und ob sie wirklich notwendig sind. Für Ordnung sorgen im Sinne des Aufräumens und Entrümpelns kann ebenfalls Abhilfe schaffen. Mit vielem von dem, was man sich anschafft, belastet man sich auch mit etwas. Beispielsweise kann nach dem Prinzip von Marie Kondo der Lebensraum neugestaltet und vereinfacht werden, indem man sich fragt „Macht mich dieser Gegenstand glücklich?“.⁴ Ist das nicht der Fall, kann man sich seiner Entledigen und sehr wahrscheinlich stellt sich unmittelbar danach ein kleines Gefühl der Erleichterung ein. Das Wichtigste ist, seine eigenen Ansprüche herunterzuschrauben und liebevoll zu sich selbst zu sein. Die eigene Überforderung kann man nur selbst lösen und eine Veränderung der Leistung ist nicht mit einem Nachlassen gleichzusetzen, sondern bedeutet viel mehr einen neuen Umgang mit den Situationen.
Fazit
Die Psyche und das Empfinden sind individuell und man sollte sich nicht dafür fertig machen, dass man erschöpft ist und die Belastung des Mental Loads zu hoch ist. Es gibt verschiedenste Möglichkeiten, der Überbelastung entgegenzuwirken. Auch hier kann es hilfreich sein, mit Menschen die einem nahe stehen zu sprechen, oder sich zusätzlich Unterstützung zu holen. Nicht alles selbst lösen zu können ist keine Schande – insbesondere bei all dem, was auf einen einprasselt.
¹ Stangl W. (2017). Cognitive Load Theorie. [werner stangl]s arbeitsblätter. Abgerufen am 01.09.2022 von: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/CognitiveLoad.shtml
² Stangl W. (2017). Cognitive Load Theorie. [werner stangl]s arbeitsblätter. Abgerufen am 01.09.2022 von: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/CognitiveLoad.shtml
³ Sweller J., Ayres P. & Kalyuga S. (2003). Cognitive Load Theory. New York: Springer New York. Retrieved from https://doi.org/10.1007/978-1-4419-8126-4
⁴ Kondo M. (2013). Magic Cleaning: Wie richtiges Aufräumen Ihr Leben verändert. Rowohlt-Taschenbuch-Verlag. ISBN:9783644491014, 3644491011